Texte

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Eine Auswahl an ausgesuchten Texten

Horst Bredekamp, Die Tropfsteinmaschine

Bogomir Ecker – Die Tropfsteinmaschine 1996-2496. Hatje Cantz Verlag, 1999, Ostfildern-Ruit
Textauszug (DE)

Auszug:
Der Ritus der Betreuung
(...) „Bogomir Eckers Tropfsteinmaschine in der Hamburger Kunsthalle reicht über einen äußerst lang angelegten Zeitraum, da sie das langsame Wachsen eines Tropfsteins über viele Generationen ermöglichen soll,. Die Modifikation und Umsetzung dieser 1983 entstandenen Idee hat ihrerseits so lange gedauert, dass der Einsatz in die Nähe der Jahrtausendwende rückte. Ecker konnte dennoch der Versuchung widerstehen, das Projekt mit einer Dauer von tausend Jahren zu verbinden und damit sowohl von diesem Ereignis als auch von der Bedeutungsschwere der Eschatologie zu profitieren. Eine tausendjährige Dauer wäre vor allem auch angesichts des zahlenmystischen Messianismus der totalitären Bewegungen des zwanzigsten Jahrhunderts ein Fehlgriff gewesen.

(...) Da ein stetig fallender Wassertropfen nach fünfhundert Jahren einen etwa fünf Zentimeter hohen Tropfstein erzeugt, bildet das Höhenmaß das Äquivalent zur Zeitgrenze. Schon diese Wahl des Höhen- und Zeitmaßes verdeutlicht, dass Ecker den Eindruck zu vermeiden sucht, sein Projekt sei hybrid oder versponnen. Vielmehr zielt es auf einen winzigen Babelturm, der das Problem der Höhe in das der Zeitverlagert, wie um auf diese Weise der Strafe zu entgehen. Es handelt sich um die Konstruktion einer longue durée: kein kleines Unternehmen, aber auch kein Hirngespinst.“

Naturform und Technik
(...) „Eckers Projekt spielt auf Tropfsteinhöhlen wie beispielsweise die San Giovanni-Höhle in Sardinien an, in denen sich Gebilde zu Stalaktiten und Stalagmiten aufbauen. Die Tropfsteinmaschine sucht die Formkraft, welche die Natur ohne Zutun des Menschen auf dem gesamten Erdball über Jahrmillionen einsetzt, zu isolieren und zeitlich zu begrenzen. Mit dieser Art mikrokosmischer Naturnachahmung imitiert sie aber auch Kunsträume, welche ihrerseits die Kunstfertigkeit der Natur nachzubilden suchten.

(...) Zu dieser Imitation der Formkraft der Natur gehörte schließlich die Technik. Die Zusammenführung von Naturform und Maschine bestimmte zahllose Grotten, die ein historisches Konzept besaßen und die den Zeitpfeil so weit in die Geschichte zurückzusenden vorgaben wie Ecker ihn nun in die Zukunft zu schicken sucht. Da sich in den Grotten Natur und Technik verschränkten, wurden sie als Konzentration jenes Momentes begriffen, in dem Natur in Zivilisation übergeht.

(...) Jene Motive, die Ecker in seiner Tropfsteinmaschine erdacht hat, sind in Grottenanlagen des Manierismus, in denen das überlegene Formvermögen der Künstlerin Natur imitiert werden soll, vorgeprägt, wie überhaupt über zahlreiche Zwischen-Schritte jedes Kunstwerk mit den Ausgeburten des ‚Bergwercks' der Natur verbunden bleibt. Indem Eckers Tropfsteinmaschine die Pole der Naturform und der Kunsttechnologie zusammenschließt, treibt er die Kunsttheorie des Manierismus auf die Spitze seines Tropfsteins.

Das museale Zeitmaß
(...) Mit dem Museum hat Ecker daher einen der sowohl variabelsten als auch stabilsten Orte gewählt, der durch die Schätze, die in ihm geborgen sind, die gewünschte ‚lange Dauer' erwarten lässt. Der Künstler vertraut dem Umstand, dass sich die überzeitliche Wertschätzung der Kunst durch alle Kulturen hindurch trotz aller möglichen politischen und sozialen Verwerfungen halten wird. Indem der Künstler das Museum verpflichtet, auf lange Sicht zu überdauern, nimmt er diese Institution quasi als Geisel des Überlebens seines Werkes. Mit größerer Ironie ist wohl nirgendwo auf die ubiquitären Reden vom ‚Ende' der Kunst und der Überwindung alles Musealen reagiert worden.
Die Zuversicht, dass der Prozess der Betreuung der Tropfsteinmaschine durchgehalten werden kann, beruht auch auf dem Umstand, dass auf einem anderen Gebiet eine jahrhundertelange Kontinuität gewährt werden muss, weil sie von einer unabsehbaren Gefahr diktiert ist. Die Lagerung der erschöpften atomaren Brennelemente in unterirdischen künstlichen Höhlen konnte allein unter der Gewissheit geschehen, dass der Wartungsvertrag von den kommenden Generationen im Eigeninteresse und im Namen der Nachkommen über einen Zeitraum von etwa 250.000 Jahren erfüllt wird. Ob dieser Vertrag befolgt werden kann, ist so offen wie die Frage, ob Eckers Tropfsteinmaschine auch nach Generationen noch intakt sein wird. Zu vermuten ist aber, dass, wenn sie nicht mehr gewartet werden sollte, auch jene Rahmenbedingungen verschwunden sein werden, innerhalb derer die Umsorgung des strahlenden Materials geschehen kann. Insofern bietet die Tropfsteinmaschine, so unverkrampft sie sich darbietet, einenTestfall für die Möglichkeit, eine Sphäre der Kontinuität zu schaffen.

Text excerpt (EN)

Excerpt:
The Rite of Attendance
(...) Bogomir Ecker’s Dripstone Machine will be at the Kunsthalle in Hamburg for a very long time: it is designed to grow a stalagmite, and that will take many generations. The idea dates from 1983, but it needed so long to build and refine the machine that it was nearly the change of the millennium before it was finished. Nevertheless, Ecker resisted the temptation to make it a thousand-year project and thereby capitalise not only on the event itself but also on the portentousness of the eschatology. Especially in view of the numerological messianism of the twentieth century’s totalitarian movements, setting it up to last a thousand years would have been a big mistake.

(...) After five hundred years, continuously dripping water will have formed a dripstone about five centimetres tall, so its height becomes the equivalent of the time limit. Ecker’s exact choice of time and height shows his intent to avoid any impression that his project is either hybrid or merely daft. In fact, it is a miniature Tower of Babel that folds the problem of height into the problem of time as if to avoid a penalty. We are talking here about the construction of a longue durée, which is neither a small undertaking nor a pipe-dream.

Natural Form and Technology
(...) Ecker’s project alludes to stalactite caves such as the San Giovanni Grottos in Sardinia, where dripstones have grown into great stalactites and stalagmites. The Dripstone Machine tries to isolate and limit temporally the power that Nature, without human agency, has brought to bear on the earth over millions of years. But this sort of microcosmic emulation also imitates artistic spaces, which themselves are attempting to reproduce Nature’s artistry.

(...) Ultimately, technology belongs to this imitation of Nature’s formative power. Natural form and machines combined in many of the public grottos which were furnished with a historical concept in mind and which purported to cast the timeline as far back into history as Ecker now tries to cast it into the future. Because in the grottos Nature and technology overlapped, they were taken as a distillation of the moment when Nature merges into civilisation.

(...) The motifs that Ecker devised in The Dripstone Machine have their ancestor in Mannerist grotto systems that tried to emulate Nature’s superior creative power; just like every artwork remains linked to the spawn of nature’s “quarry” by countless intermediate steps. By uniting the two poles of natural form and artistic technology, Ecker, in The Dripstone Machine, forces Mannerist art theory onto the tip of his dripstone.

The Museum in Measured Time
(...) In choosing the museum, Ecker has gone for one of the most variable as well as one of the most stable places. The treasures which are stored there almost guarantee the desired longevity. The fact that art is held in esteem by all cultures regardless of time, politics or social upheaval means the artist can have some confidence that this will remain so. In the sense that the artist places the museum under a long-term obligation, he is in effect making it hostage to the survival of his work. This probably is the most ironic artistic reaction possible to all the talk about the “end of art” and the redundancy of museums.
However, confidence in the The Dripstone Machine’s long-term maintenance is also linked to something completely different, where the need to guarantee continuity over centuries is dictated by incalculable danger. The storage of exhausted nuclear fuel rods in man-made subterranean caves can only occur in the certainty that coming generations would find it both in their own interest and that of their children and grandchildren to maintain them over some quarter of a million years. Whether they can actually do so is an open question – as is whether Ecker’s Dripstone Machine will still be intact generations later. However, if that is not the case, then one can assume that the basic conditions necessary for the stewardship of radioactive materials will also have disappeared. In this respect, its laid-back presentation is misleading: The Dripstone Machine is actually a feasibility study for the creation of spheres of continuity.

(Translation: Christopher Cordy, 2007)

Thomas Wagner im Gespräch mit Bogomir Ecker

Von Menschen, Städten, Dingen, Zeichen und Medien, Verlag Walther König, Köln 2015
Textauszug (DE)

Thomas Wagner: Wo hat Ihre Kunst ihren Ursprung – im Atelier oder auf der Straße? 

Ich bin früh rausgegangen, schon während meines Studiums, etwa um 1976. An der Düsseldorfer Kunstakademie gab es damals den neuen Lehrstuhl von Erich Reusch, der sich „Integration Bildende Kunst und Architektur“ nannte. Das hat mich interessiert. Auch dachte ich, auf diesem Feld würde programmatisch etwas passieren. Aber kaum jemand in meiner Umgebung interessierte sich dafür.

Die Frage war also: Will und kann man als Künstler ins Museum oder muss man andere Ort suchen?

In Düsseldorf und an der Akademie war das nicht virulent, für mich schon, auch in seiner politischen Dimension. Es gab in vielen gesellschaftlichen Bereichen Autonomiebewegungen, leerstehende Häuser wurden besetzt, über Bodenspekulation diskutiert. Stadt und öffentlicher Raum waren mit einem Mal ein Thema. Im Unterschied dazu war Kunst am Bau das Verpönteste überhaupt. Zugleich machte es das aber auch wieder interessant, entlang einer scheinbar verbrauchten Fragestellung vorzugehen.

Was war der Reiz an der Stadt als einem anderen Raum, einer anderen Sphäre?

Man machte etwas, und es war nicht sofort als Kunst sichtbar. Ich hatte das Gefühl, dass sich in der Stadt ein Freiraum eröffnete. Wenn man draußen arbeitete, schien...

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Text excerpt (EN)

Thomas Wagner: Where does your art come from – the studio or the street?

Bogomir Ecker: I went out into the streets early, back when I was studying, around 1976. In those days, Erich Reusch had a new chair in “The Integration of Fine Arts and Architecture” at the Kunstakademie Düsseldorf. I was interested in that, and I also thought something would happen in the field, something programmatic. But almost nobody else in my surroundings was interested.

So the question was: As an artist, do you want and are able to work in museums or do you have to look for other places?

It wasn't a pressing question in Düsseldorf and at the Academy; but it was for me, also in its political dimension. There were autonomist activist movements in many areas of society; people were occupying empty houses, disputing property speculation. Urban and public space was suddenly a topic. By contrast, public art commissions (Kunst am Bau) were met with utter disdain. At the same time, that was exactly what made following a seemingly exhausted line of inquiry interesting.

What was the appeal of the city as a different space, a different sphere?

Producing something that wasn't immediately recognizable as art. I had the feeling that the city offered room for creative freedom. With working outdoors, all sorts of things seemed possible.

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Uwe M. Schneede, Zwischen Funktion und Fiktion

Bogomir Ecker – Man ist nie allein, Holzwarth Publications Berlin, 2006
Textauszug (DE)

Auszug:

Eingriffe
(...) Mir scheint, zum Unverwechselbaren der künstlerischen Arbeit von Bogomir Ecker gehört der stillschweigende - zuweilen aber auch der durchaus auffällige - Eingriff in eine bestehende Situation. Das war seine Stärke von vornherein. Als er zuerst 1978 in Paris an einer Hauswand einen Toten Briefkasten oder am Seinekai ein kleines Sprungbrett , dann 1981 in Düsseldorf auf einem Güterbahnhof fiktive Signale ( Schallplatten ) anbrachte oder 1983 in Krefeld an einem Abflussrohr einen Regenrinnenmelder installierte, war subversiver Geist am Werk. Die Intervention befragte die bestehende Realität, stellte sie in Frage. Nie wurde davon großes Aufheben gemacht. Für ein paar Stunden, für ein paar Nächte, für ein paar Tage wurde die reale Situation ergänzt und verfremdet; nur der Künstler und die Kamera waren die Zeugen, allenfalls noch ein paar Zufallspassanten.

Diese seine ureigene künstlerisch-ästhetische Strategie setzte Bogomir Ecker in den späteren 80er und in den 90er Jahren noch prägnanter fort. So legte er 1986, also noch deutlich vor der politischen Öffnung, an verschiedenen Stellen in der Innenstadt Sofias kleine gegossene Ohrformen mit Membranen ab, als seien es Lauschgeräte – aber wer wäre der Lauscher? gibt es einen gutwilligen Lauscher? 1991/92 bedeckte er einen eigens gebauten, zwei Meter tiefen Brunnenschacht im Westerwald mit einem Gitter, das, völlig absurd in dieser Waldgegend, auf Luftsysteme oder U-Bahnschächte zu verweisen schien; im Schacht lag wie etwas Verwunschenes eine große rote Kugel mit drei rätselhaften Abgüssen einer Mundhöhle. 1998 entfremdete er einen Autostellplatz an einer Straße in Enghien-les-Bains, indem er eine ziemlich wacklig erscheinende provisorische Baustelle einrichtete ( Territory B ), und 2004 applizierte er einer nackten rückwärtigen Hausmauer in Köln eine signalrote technoide Apparatur mit nur scheinbarer Kommunikationsfunktion.

Bogomir Eckers Inspiration scheint überall dort in besonderer Weise gefordert, wo es um die Intervention an einem bestimmten Ort, in einer bestimmten Situation geht. Er braucht offenbar die unmittelbare kritische Reibung am ganz konkreten Realen, um ein künstlerisches Problem auf den Punkt zu bringen – und das zumeist mit apparativen Formen, die, obwohl oft farblich-signalhaft hervorgehoben, anonym wirken wie ihre Umgebung und die deshalb au

geheimnisvolle Weise mit der Funktionalität ihrer Träger konkurrieren können.

(...) Echte und simulierte Ready mades sind mittlerweile feste Bestandteile total unterschiedlicher künstlerischer Strategien geworden, ja das tatsächliche oder das nachgebildete Fundstück gehört nunmehr genauso wie herkömmlich zu bearbeitendes Material oder verschiedenste Materialien von der Asche bis zum Reisigbündel, vom Haifisch bis zur Fliege, vom Wasser bis zum Blut zu den Stoffen, aus denen Kunst gemacht werden kann; jedes Gerät und jeder Abfall ist dergestalt kunstfähig. Das Ready made selbst scheint keine ästhetische Spezifik oder Innovationsbedeutung mehr zu haben.

Allerdings gibt es Ausnahmen. So wird das vorgefertigte, in den Kunstkontext versetzte Objekt beispielsweise in den Fallen von Andreas Slominski noch einmal ausdrücklich zum Thema. Deren optischer Anschein klärt nicht, ob es sich um eine tatsächlich gefundene und tötlich funktionierende oder um eine analog zu den Fundstücken erdachte und womöglich nicht de facto, sondern nur ästhetisch funktionierende Apparatur handelt. Erneut stellt hier das Ready made die Frage nach der Wahrnehmung von Realität und der Deutungsfähigkeit von Kunst.

Bogomir Eckers Interventionen mögen zwar den Ready made -Gedanken nutzen, gehen aber selber im strengen Sinne nicht mit Ready mades um. Es handelt sich vielmehr um ästhetisch - analog zu funktionalen - entwickelte Objekte von eigener Gesetzlichkeit. Dabei stellt nicht das Objekt selbst die Frage, sondern das erst durch seinen adäquaten Kontext vollständig gewordene Werk .

Denn die Eckersche Intervention beruht auf einer inhaltlichen und formalen, kontextspezifischen Zwangsläufigkeit. Es muss für das Werk der präzise Ort der Reibung, das Trägerobjekt, gefunden werden, und die Intervention muss logisch aus diesem Trägerobjekt entwickelt und ihm doch antipodisch sein, sie muss, was Motiv, Position, Proportion angeht, „sitzen“, wenn sie eine vorher nicht existente Behauptung sein will. Andernfalls wäre sie ein Anhängsel ohne innere Notwendigkeit oder beliebig applizierte „Kunst am Bau“.

Damit sind auch die speziellen Voraussetzungen für die Interventionen angedeutet: Gespür für tragfähige Orte und Stellen, Gespür für die kombinatorische Ergänzung, die das Trägerobjekt erst richtig zur Sprache bringt, Gespür für die Situation – Tag oder Nacht? verschwiegen oder öffentlich? laut oder leise? sichtbar oder unsichtbar? – und, nicht weniger wichtig, Gespür für die notwendige Dauer eines Eingriffs. Der Künstler der Intervention ist, scheint es, ein ganz anderer Typ von Künstler, den Aktionskünstlern fast näher als den Bildhauern.

Allerdings müssen keineswegs alle Eingriffe heimlich, verschwiegen und zeitlich begrenzt sein. Sie können bei Bogomir Ecker mittlerweile auch in Auftragsarbeiten münden und im großen Maßstab Orte definieren. Das gilt für die Vogelhäuschen aus rotlackiertem Eisenblech, die bei der Kulturstiftung Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf in den Bäumen hängen wie es 1986 für die ebenso roten Ohren in den Bäumen des Hamburger Jenischparks zutraf, und es gilt in besonderer Weise für die zahlreichen großen, gleichfalls signalroten Trillerpfeifen, die einem der schwierigen, endlos hohen, an zwei Seiten bis hoch oben verglasten Säle im neuen Leipziger Kunstmuseum erst eigentlich einen Sinn verleihen: als sei die Architektur genau für diese Arbeit von Bogomir Ecker geschaffen worden - und nicht umgekehrt. In der genialen Lösung zeigt sich die immense Interventionserfahrung.

Versuchsanordnungen
(...) Für jemanden wie Bogomir Ecker ist das Paradoxe der kombinatorischen Objekte keine lauthals propagierte Entdeckung mehr, sondern etwas Selbstverständliches, die Paradoxie keine neue Einsicht, sondern das grundlegende Wirklichkeitsverständnis, das wie zwangsläufig in die Kombinatorik führt.

Und die Inhalte dieser Objekte? Die akustischen und die anderen Geräte Bogomir Eckers funktionieren nicht tatsächlich, sondern symbolisch: „Die Tröten werden nicht mehr betätigt, durch das Sprachrohr wird nicht mehr gesprochen, das Radio nicht mehr angestellt, das Telefon nicht abgenommen. Die Enge der Funktion, die den Benutzer in eine bestimmte, oft stupide Handlung hineinzwingt, ist aufgehoben durch die Unendlichkeit der freien Assoziation.“ Die Sinneswahrnehmungen - Hören und Sehen - bilden den Ausgangspunkt. Das Thema ist, wie so oft in Eckers Werk, die Kommunikation sowie deren technische Verstärkung: die Sinne in Zeiten der Apparate. Aus dem apparativen Ersatz schließt Bogomir Ecker auf das Prothetische der Medien. All diese kleinen Objekte wirken weniger als Skulpturen denn als Wahrnehmungsprothesen und haben dabei durchaus wesenhafte Züge; sie wollen zu Diensten sein.

In der musealen Präsentation dieser Objektfülle treten die thematische Bandbreite, das enorme motivische Repertoire, die durchgängige kombinatorische Technik vollends zutage. Es ist, als werde hier programmatisch ein in sich geschlossenes Verfahrenssystem vorgeführt. Vor uns erscheint eine Ausstellung der vielfältigen erfinderischen Möglichkeiten des Künstlers Bogomir Ecker, ja eine Darlegung des Systems Ecker.

In diesem Zusammenhang ließe sich nun vergleichsweise an programmatische Künstlermuseen denken wie Claes Oldenburgs Mouse Museum aus den 70er Jahren mit einer Vielzahl von kleinen nachgebildeten, gefundenen oder veränderten Alltagsobjekten oder Marcel Duchamps Boîte-en-valise von 1941, einem Koffer mit winzigen Reproduktionen seiner Hauptwerke: die tragbare Retrospektive. Doch die Unterschiede liegen auf der Hand: Bei Oldenburg geht es um die Entwicklung künstlerischer Ideen und Projekte unmittelbar aus dem Alltag heraus, bei Duchamp um etwas völlig anderes, nämlich die Praktikabilität eines Werks ohne Kunst .

Ecker dagegen veranschaulicht seine auf kombinatorischer Erfindung basierenden plastischen Ideen und seine Hauptthemen als in sich geschlossenes System mit Anregungspotential. Denn dieses System ist, obwohl erst eigentlich durch museale Aufbereitung konstituiert, nicht zur Ruhe gekommen. Die einzelnen Objekte bleiben weiterhin „Versuchsanordnungen“, sie halten das plastische Denken in Bewegung, und die Prototypen sind kein Resümee, sondern eine Zwischenbilanz. So folgte denn auch auf die erste Serie aus den Jahren 1980 bis 1990 eine zweite Ende der 90er Jahre. Die Prototypen fungieren als Ideenpool, wenn nicht gar - etwa im Sinne Beuys' - als Batterie und Antriebsaggregat für das Werk und die Kunst .


Text excerpt (EN)

Excerpt:

(...) To my mind, it seems that the silent gesture is part and parcel of his inimitable artistic work—but so is the conspicuous intervention into a given situation.
This was his strength from the very beginning. When, in 1979, he first installed a Toter Briefkasten (Dead Letter-box, p. 36/37) on the side of a building in Paris or a small Sprung­schanze für Selbstmörder (Springboard for Sui-ci­des) P92, 93 on the banks of the Seine, followed by fictional signals for Schallplatten (Records) in a freight train station in Dussel­dorf in 1981, or a Regenrinnenmelder (Rain Gut­ter Alarm, p. 2) on a drainage pipe in Krefeld in 1983, it was a subversive spirit at work. The intervention called the existing reality into question, probing it without ever making a big issue out of it. For a few hours, a few nights, or a few days, the real situation was augmented and altered; only the artist and his camera were witnesses, at the very most a few random passers-by.

Throughout the late 1980s and 1990s, Bogomir Ecker continued this highly unique artistic/aesthetic stra-tegy in even more pronounced ways. Thus, in 1986, and hence well before the massive political upheaval began in Central Europe, he left small casts of ears with membranes in various locations around Sofia’s city center (pp. 24/25), as though they were surveillance devices—yet who was doing the surveillance? And can surveillance be well-meaning? In 1991/92, he covered a handmade, two meter-deep well shaft in Westerwald with a grate that seemed to suggest a ventilation system or subway tunnel, both of which would be entirely absurd for a forest; lying in the well, like something cursed, was a large red ball bearing three mysterious molds of the inside of a mouth (p. 127). In 1998, he transformed a parking spot on a street in Enghien-les-Bains by erecting a provisional and, to all appearances, rather rickety construction area (Territory B, pp. 194/195), and in 2004 he applied a bright red technoid device, whose communicative function proved to be no more than a suggestion, to the bare back wall of a building in Cologne.
Whenever it’s a matter of intervening into a particular location or situation, Bogomir Ecker’s inspiration seems to be sparked in a special way. He seems to need a direct critical friction with the real and concrete in order to reduce an artistic problem to its essentials—which he tends to do using device-like forms that, despite their bright colors, seem as anonymous as their environment and hence are capable of competing in a mysterious way with the functionality of their support.

(…) Genuine and simulated ready-mades have long since become fixed elements in a variety of entirely different artistic strategies; the actual or crafted found object belongs here just as much as
traditional working materials or the wide spectrum of additional materials art can be made from, ranging from ash to bundles of brushwood, from sharks to flies, from water to blood; every device and every scrap of trash is capable of becoming art. The ready-made itself no longer seems to carry an aesthetic specificity or innovative significance.
Yet there are exceptions. Andreas Slominski’s “traps,” for instance, once again address the prefabricated object transplanted into the art context. Their visual appearance fails to clarify whether they are real, functioning, lethal traps, or if it’s a case of devices conceived as being analogous to found objects, and hence not de facto at all, but possessing a merely aesthetic function. Here, again, the ready-made questions the perception of reality and the ability to interpret art.

While Bogomir Ecker’s interventions use the ready-made idea, they do not themselves work with ready-mades in a narrow sense. Instead, we’re looking at aesthetically (in contrast with functionally) developed objects with their own set of rules. Yet it’s not the object itself that poses the question, but the work, which only becomes complete through an appropriate context.

Ecker’s intervention is based on an inevitability of content and form that is context-specific. The precise location of friction, the carrying object, must be found for the work, and, as we have seen in the case of the furnace piece, the intervention must be developed logically out of this carrying object and yet remain in diametric opposition to it: if it wants to become an assertion that did not exist pre-viously, it has to “work” in terms of motif, position, proportion. Otherwise, it would be an appendage lacking inner necessity or some sort of randomly added instance of public art.

The special prerequisites for the interventions are a sense for appropriate location and site, a sense for the combinatory augmentation that enables the carrying object to speak in the first place, a feeling for the situation—is it day or night? discreet or public? loud or quiet? visible or invisible?—and, no less important, a sense for the required duration of an intervention. It seems that the artist of the intervention is another type of artist entirely, closer to the action artist than to the sculptor.
This by no means implies that all interventions have to be secret, discreet, and temporary. In Bogomir Ecker’s work, they can also exist as commissioned works, and define locations on a large scale. This goes for the small birdhouses of red enamel sheet metal hanging in the trees at the Cultural Foundation of North Rhine-Westphalia in Düsseldorf, or the ears hanging in the trees of Hamburg’s Jenisch Park in 1986, which were also red—and particularly for the numerous large, equally bright red whistles lending meaning to one of the more difficult halls of the new Art Museum in Leipzig, which is extremely high and glassed in on two sides: making the architecture seem as though it had been created especially for Bogomir Ecker’s work, and not the other way around. The artist’s immense ex-perience with intervention reveals itself in the brilliant solution.

Controlled Experiments
(...) For someone like Bogomir Ecker, the paradoxical thing about the combinatory objects is no longer the loudly proclaimed discovery, but rather a quality of being self-evident, the paradox being not some new insight, but a basic understanding of reality leading irrevocably to combinatorics.

And the content of these objects? Bogomir Ecker’s acoustic and other devices do not actually function other than in a symbolic manner: “The horns are no longer played, no one speaks through the mouthpiece, the radio is no longer turned on, the telephone receiver isn’t picked up. The narrowness of function that forces the user into a particular, often inane act, is counteracted by an infinity of free association.” The senses of hearing and seeing form the point of departure. The theme is, as so often in Ecker’s work, communication and its technical amplification: the senses in the era of the apparatus. Bogomir Ecker infers the prosthetic nature of the media from the ersatz nature of the apparatus. These small objects seem less like sculptures than like prosthetic devices of perception; they possess clear creaturely features; they long to be of service.

The museum presentation of this object abundance does full justice to their broad thematic spectrum, the enormous repertoire of motifs, the pervading combinatory technique. It’s like a programmatic introduction of a closed system of method. We are faced with an exhibition of the many inventive possibilities of the artist Bogomir Ecker, even a kind of exposition of the Ecker system.
Programmatic artists’ museums such as Claes Oldenburg’s Mouse Museum from the 1970s come to mind in this context, with its multiplicity of small handcrafted, found, or altered everyday ob­jects, as well as Marcel Duchamp’s Boîte-en-valise from 1941, a suitcase containing tiny reproductions of his main works: the portable retrospective. Yet the differences are obvious: while Oldenburg is concern­ed with the development of artistic ideas and projects arising directly out of everyday life, Duchamp is interested in something completely different, namely the practicability of a work without art.

Ecker, on the other hand, visualizes his main themes and plastic ideas based on combinatory invention as a closed system with the potential to stimulate. For although this system was created in museum-like preparation, it has not yet come to rest. The individual objects continue to remain “controlled experiments,” keeping plastic thinking in motion, and the Prototypen are not a résumé, but an interim balance. Thus, the first series from the years 1980 to 1990 were followed by a second in the late 1990s. The Prototypen function as a pool of ideas, perhaps even—in the sense of Joseph Beuys, for instance—as battery and generator for the work and for art.


Hubertus Gaßner, Ähnliche und unähnliche Löcher

Bogomir Ecker – Man ist nie allein. Holzwarth Publications Berlin, 2006
Textauszug (DE)

Auszug:
(...) „Das Loch als Negativform, als Fehlstelle, ist eben doch kein reines Nichts, die Abwesenheit von Etwas. Ihm eignen durchaus auch qualitative Eigenschaften, die abhängig sind von der Beschaffenheit des Materials, seiner Dicke, Dichte, Schwere, Größe. Löcher in einem steifen und harten, aber dünnen Material mit glatter Oberfläche ergeben eine präzise, gleichmäßige Kontur, weshalb die Löcher in Bogomir Eckers Eisenblechen eine wahre Freude sind und so ganz dem Idealtypus eines klar konturierten Lochs entsprechen. Bei seinen Arbeiten ist diese Kombination von Loch und Eisenblech zum Erkennungszeichen geworden. Nur wenige von Eckers Plastiken kommen ohne Löcher aus, sie sind das durchgehende Merkmal seiner Skulpturen.

Man könnte die Behauptung aufstellen: Die skulpturalen Formen und Materialien wechseln, doch die Löcher bleiben. Was hat es mit diesen Löchern auf sich? Zur Beantwortung dieser Frage halten wir uns zunächst an die Objekte, die solche Löcher aufweisen. Ist das Loch als Formkonstante in Eckers Arbeiten unübersehbar, so fällt doch auch die häufige Wiederkehr der Formen, Farben und Materialien auf, deren sich der Künstler bedient. Ihre jeweils besondere Kombination zu einer Plastik ergibt immer einen unverkennbaren Ecker.

(...) Gleichermaßen herrschen auch in Bogomir Eckers Formenarsenal eindeutige Sympathiebeziehungen, die immer wieder bestimmte Grundformen zusammenbringen und zu Paaren vereinigen – Paare zumeist, bei denen sich die Gegensätze anziehen: Der Kegel paart sich mit der Box, der Kegelstumpf empfindet Sympathie für die Trommelform, die Lochscheibe für den Zylinder, die Hörmuschel für die Box. Aus diesen Sympathiebeziehungen entstehen immer neue Plastiken. In durchsichtigen Gläsern aufbewahrt oder auf Wandkonsolen gestellt, wirken diese zumeist aus zwei Figuren bestehenden Kombinationen wie Versuchsanordnungen: für die Beobachtung exponiert, um feststellen zu können, ob diese gegensätzlichen Figuren sich wirklich anziehen und Sympathie füreinander empfinden – eine Sympathie, die aus der Anziehung der Gegensätze Gewinn schlägt und das Figurenpaar in ein starkes Ding transformiert.

Wie ihre Sympathie füreinander die Dinge scheinbar aufeinander zu bewegt, machen Eckers Prototypen und einzelne seiner Plastiken überaus deutlich. Alle Grundformen rufen den Eindruck einer gerichteten Bewegung hervor, vor allem durch die Löcher und Öffnungen, die Schachteln und Zylinder, Kegel, Muscheln und Scheiben aufweisen. Bei den weiter oben unter 3a und 4a angeführten Objekten führt diese Bewegung von innen nach außen. Diese plastischen Körper funktionieren in unserer Vorstellung gleichsam wie Sender, d.h. sie übertragen Informationen aus einem Inneren nach außen (wie die Stimme aus dem Lautsprecher oder das Vogelgezwitscher aus dem Vogelhaus). Die unter 3b und 4b angeführten plastischen Gebilde wirken hingegen wie Empfänger im wörtlichen Sinne: Sie nehmen etwas von außen Kommendes in sich auf (z. B. Lichtstrahlen wie bei einem Fotoapparat, Menschen in einen Raum, Stöpsel oder Pfropfen in den Hals oder das Loch eines Gefäßes) oder sie gewähren Einblicke in ihren Innenraum. (...) Die Grundformen in Bogomir Eckers plastischem Arsenal sind doppelt kodiert, sie lassen sowohl die Bewegung von außen nach innen wie auch von innen nach außen zu – je nach der mit ihnen verbundenen Gegenstandsassoziation. Ein Kegel z. B. führt in der Gestalt einer Flüstertüte oder eines Lautsprechers von innen nach außen und „sendet“; in seiner Funktion als Trichter oder Stöpsel jedoch geht die Bewegungsrichtung nach innen. Der Pfropfen füllt das Loch im Objekt bzw. im Körper, in dem er steckt, durch sich selbst aus. Das Ohr geleitet die Information in das Innere des Körpers, der Trichter die durch ihn fließende Substanz in den Innenraum des Hohlkörpers.

Unter Eckers Objekten finden sich auch einige Paarungen, die beide Bewegungsrichtungen in einem einzigen, paradox angelegten Objekt aufweisen. Da ist z. B. das immer wieder auftretende, in Bronze gegossene Ohr, das in der Mitte seiner Ohrmuschel anstelle des einen Ohrlochs eine Gruppe von kleinen Löchlein zeigt, die an die Muschel eines Telefonhörers denken lassen. So ist diese Plastik beides zugleich: empfangendes Ohr, durch das die Laute und Geräusche von außen in den Körper dringen, und Telefonhörer, der die Stimme des Sprechers übermittelt und nach außen sendet.

(...) Ein weiteres Beispiel für diese Umstülpung des Inneren nach außen und Äußeren nach innen bilden die Sprechblasen aus rot lackiertem Eisenblech von 1988/89. Äußerlich betrachtet bestehen auch sie wie so viele von Eckers Plastiken aus der Kombination einer Trommelform mit einer pyramidalen Form. In der Zusammenstellung beider Formen zeigt die sie umfassende Kontur die typische Gestalt einer Sprechblase in Comic-Zeichnungen. Diese gezeichneten Sprechblasen bezeichnen den Umriss um jene gesprochenen Worte, die aus dem Mund einer Person kommen. Eckers dreidimensionale Sprechblasen drehen diese Bewegungsrichtung der aus dem Mund herauskommenden Worte um: Seine Sprechblasen sind leere, wortlose Behälter, jedoch mit einem (Flaschen-)Hals versehen, durch den man etwas in sie hineinfüllen könnte – z. B. Worte. Aus den Sprechblasen entstanden die Trillerpfeifen durch umbiegen des Einfüllstutzens zum Mundstück. Durch das Mundstück der Pfeife gelangt nun tatsächlich etwas von außen in den trommelförmigen Hohlkörper: Luft. Tritt diese wieder durch den zusätzlichen Schlitz nach außen, dann wird der leicht modifizierten Sprechblase tatsächlich eine Stimme verliehen – wenn auch nur eine pfeifende und keine sprechende.

Diese Werkbeispiele einer Umkehrung des hohlen Innenraums nach außen durch seinen Abdruck und die Reversibilität der durch die Öffnungen im Material angezeigten Bewegungen von innen nach außen (Modell Sender) und von außen nach innen (Modell Empfänger) führen uns zurück zu unserer Ausgangsfrage nach Funktion und Sinn der Löcher in Eckers plastischen Gebilden. Die Löcher bilden, wie wir jetzt sehen und verstehen können, Eingänge vom Äußeren zu Inneren und Ausgänge vom Inneren zum Äußeren der volumenhaltigen Hohlplastiken, auch verwandeln sie die mit Lochscheiben oder Lautsprechertrichtern versehenen Wände in durchlässige Membranen, die zwischen dem Innen- und Außenraum eines Gehäuses vermitteln. In dieser Funktion gewähren die Löcher als einzelne – oder gehäuft bei Lochscheiben, Sieben und Bodengittern über Schallgruben – Einblicke in das Innere der Hohlkörper. Umgekehrt lassen die Löcher und Öffnungen auch Stimmen und Informationen aus dem inneren im Äußeren hörbar und sichtbar werden. Die hochgradige Ähnlichkeit aller dieser Löcher untereinander ist Teil der tiefer liegenden Ähnlichkeit zwischen dem durch diese Löcher sich äußernden Inneren der Dinge und ihrer äußeren Erscheinung.

Bei Paracelsus, einem der prominentesten Vertreter des Ähnlichkeitsdenkens, heißt es zu dieser Entsprechung von innen und Außen: „Nichts ist, das die Natur nicht gezeichnet hat, durch welche Zeichen man kann erkennen, was im selbigen, was gezeichnet ist. ... Wir Menschen auf Erden erfahren alles das, so in Bergen liegt, durch die äußern Zeichen und Gleichnuß, auch dergleichen alle Eigenschaften in Kräutern, und alles das, das in den Steinen ist.“ Die alles durchziehende Ähnlichkeit gewährleistet nicht nur die Entsprechungen zwischen Mikrokosmos und Makrokosmos, sondern auch zwischen dem Inneren der Dinge und ihrer äußeren Erscheinung. Dinge und Wesen lassen an ihrer Oberfläche Zeichen sichtbar werden, so genannte Signaturen, die – wenn man sie zu lesen weiß – Aufschluss über ihre inneren Qualitäten geben. Jacob Böhme, neben Paracelsus ein weiterer Verfechter der Signaturenlehre, schreibt zu dieser Offenbarung der inneren Eigenschaften im äußeren Erscheinungsbild aufgrund der von Gott selbst gestifteten Ähnlichkeiten zwischen dem Inneren und Äußeren: „Die gantze äußere sichtbare Welt mit all ihrem Wesen, ist eine Bezeichnung oder Figur der inneren geistlichen Welt; alles was im inneren ist, und wie es in der Wirkung ist, also hats auch seinen Charakter äußerlich.“

(...) Wenn Foucault in Übereinstimmung mit den Ähnlichkeitsdenkern des 16. Und 17. Jahrhunderts behauptet, „die Ähnlichkeiten in ihrer Verborgenheit müssen an der Oberfläche der Dinge signalisiert werden. Ein sichtbares Zeichen muss die unsichtbaren Analogien verkünden. Jede Ähnlichkeit ist doch gleichzeitig das Manifesteste und Verborgenste“, so kommt in Eckers Plastiken wie auch in seinen metallischen Zeitungsseiten vor allem den Löchern auf ihrer Oberfläche die Bedeutung solcher sichtbarer Zeichen (Signaturen) zu, die den Durchblick öffnen auf die verborgenen Ähnlichkeitsbeziehungen, denen sie selber zugleich angehören.
Text excerpt (EN)

Excerpt:
(...) The hole as a negative form, as something missing, is, however, not simply nothing or the absence of something. A hole certainly does have qualities, which are determined by the nature of the material, its thickness, density, weight, and size. Holes in a stiff, hard, thin material with a smooth surface have precise and even contours, which is why the holes in Bogomir Ecker’s sheet-steel works are a true joy and correspond to the ideal type of a clearly delineated hole. The combination of holes and sheet steel has become a trademark of Ecker’s work. Very few of his sculptures are wholly without holes, they are a distinctive feature of his sculptures.

One might conclude that, while the sculptural forms and materials vary, the holes remain a constant. What is so interesting about such holes? In order to answer this question, let us first look closely at the sculptures that sport them. Holes may be a constant in Ecker’s oeuvre, but certain forms, colors, and materials also occur frequently. Their combination in any particular work always yields a distinctively Eckerian sculpture.

(…) Similarly, in Bogomir Ecker’s arsenal of forms, certain relationships of sympathy prevail. They repeatedly bring together certain basic forms and unite them in pairings—pairings in which opposites standardly attract: a cone is paired with a box; a truncated cone feels sympathy for a cylinder; a plate with holes, for a cylinder; a telephone earpiece, for a box. Such relationships of sympathy engender ever new sculptures. These combinations, most of which are composed of two shapes, are kept in transparent glass jars or placed on shelves and look like they are part of an experiment, data to be observed, so that one might establish whether these
different figures really do attract and feel sympathy for each other—a sympathy that profits from the attraction of opposites and transforms each pair of shapes into some powerful thing, such as an oak tree.

Ecker’s Prototypen and some of his sculptures demonstrate how mutual sympathy seems to make things move towards each other. Each basic form conveys the impression of movement in a certain direction, above all by virtue of the holes and openings in the boxes, cylinders, cones, shells, and plates. For the objects listed above under 3a) and 4a), this movement is directed outwards from within. These bodies function as transmitters, so to speak, broadcasting information from an interior to an exterior—like a voice from a loudspeaker or birdsong from an aviary. The objects listed under 3b) and 4b) function—quite literally—as receivers, taking up what comes from without—rays of light in a camera, for example, or people in a room, stoppers in the opening of a container—or they allow one to look into their interior.

(...) The basic shapes in Bogomir Ecker’s arsenal of sculptural forms are doubly coded: they permit both movement outward and movement inward, depending on the objects their respective associations suggest. A cone, for example, in the form of a loudhailer or loudspeaker, leads from the inside to the outside and is a “transmitter;” by contrast, the direction of movement for a cone functioning as a funnel or plug is from the outside to the inside. A plug fills a hole in an object or a body with its own mass, an ear passes information into the interior of the body, a funnel passes a fluid into the interior of a hollow body.
Some of Ecker’s objects are paradoxical in that they embody pairings that encompass both directions of movement at the same time. One encounters again and again an ear cast in bronze
that has, where the mouth of the auditory canal would otherwise be, a surface bearing a set of small holes that makes one think of the earpiece of a telephone. This is both a receptive ear, through which noises and sounds from outside enter into the body, and a telephone earpiece, which transmits the voice of the speaker to the exterior.

(…) Another example of the inversion of inside and outside are Ecker’s Sprechblasen (Speech Balloons) P96, made of iron sheeting painted red and dating from 1988/89. Like so many of his sculptures they are composed of cylindrical and pyramidal forms. The outline does resemble that of a speech balloon in a comic strip, which encloses the words uttered by a character in the comic. But Ecker’s three-dimensional speech balloons invert the trajectory: no words come out of a mouth, the balloons are empty, wordless receptacles. But they do, like bottles, have a neck, through which one could fill them—with words, for example. Ecker’s whistles were created out of the balloons by bending the necks into mouthpieces. Through the mouthpiece of each whistle something really enters the cylindrical cavity from outside, and that is air. When air then escapes through the additional slit, the modified speech balloon finds its voice—at least in a whistle if not in speech.

These examples of the externalization of enclosed space in the negative, massive cast of that space in the work of Bogomir Ecker and of the reversibility of movements from the inside to the outside through openings in the material (transmitter) and from the outside to the inside (receiver) bring us back to the question posed at the start of this essay about the function and significance of holes in Ecker’s sculptures. As we can now appreciate, holes constitute entrances to and exits from interior cavities. Or they transform surfaces made of metal plates with cut-outs or fitted with loudspeaker horns into permeable membranes that mediate between the interior and exterior of an enclosing body. In this function, single holes or groups of holes in metal plates, sieves, or gratings above resonating pits enable one to look into the interior of hollow bodies. Conversely, the holes and openings allow voices and information from within to become audible or visible. The similarity of all these holes is part of the deeper similarity between the interior of the objects revealed through the holes and their external appearance.

Paracelsus, one of the leading theoreticians of resemblance, wrote about the correspondence of inside and outside: “There is nothing that does not bear the signature of Nature. Through these signs one can know what is within that which is so marked. . . .
We humans on earth discover everything we know about what is inside mountains by means of the outer signs and similarities, or about the attributes of herbs, or whatever is inside stones.” It is resemblances that guarantee not only the correspondences between microcosm and macrocosm, but also those between the inside of things and their external appearance. Things and life-forms bear on their surface visible signs—Paracelsus calls them signatures—which provide information on their inner qualities to those who know how to read those signs. Jacob Böhme, another proponent of the theory of signatures, wrote that external appearances can disclose inner attributes because God himself had created similarities between the inside and the outside: “The whole outer visible world with all its beings is a signature or figure of the inner spiritual world; everything that is within, and all its effects, also bears its character outside.”

(...) In line with the theoreticians of resemblance of the 16th and 17th centuries, Foucault writes that “buried similitudes must be indicated on the surface of things; there must be visible marks for the invisible analogies. Is not any resemblance, after all, both the most obvious and the most hidden of things?”
In Bogomir Ecker’s sculptures and metallic newspaper pages it is above all the holes in their surfaces that can be interpreted as the visible signs or “signatures” that permit insight into the hidden relationships of resemblance, to which they themselves also belong.

Peter Friese, Roboter, Androiden, Cyborgs, künstliche bessere Menschen

Ausstellungskatalog Bogomir Ecker. Kunstverein Ruhr, Essen 2002
Textauszug (DE)

Auszug:
(...) Symbolische Funktion . Es fällt generell auf, dass Ecker in seinen Werken immer wieder auf ein Grundvokabular von skulpturalen Elementen zurückgreift, welches wie ein Arsenal aus Medien, Maschinen und anderen Gerätschaften anmutet. Diesen Formen ist gemeinsam, dass sie auf eine Funktion oder Rolle als „Apparat“, „Gerät“ oder technisches Medium im weitesten Sinne verweisen. Zugleich wird aber auch erkennbar, dass man es hier bloß mit Modellen oder in Wahrheit funktionslosen „Attrappen“ uns bekannter Kommunikationstechnologien oder anderer „Maschinen“ zu tun hat, welche im Sinne eines echten technischen Funktionierens kaum zum Zuge kommen könnten. Eckers Maschinen, Gerätschaften und Medien entwickeln ihre wahre Bedeutung erst auf einer übergeordneten, symbolischen Ebene. Sie „funktionieren“ im Sinne von Zeichen, welche Korrespondenzen untereinander, mit dem Ort ihrer Platzierung und natürlich auch mit den Vorstellungen und Gedanken der Betrachter einzugehen in der Lage sind. (...) Sehen, Hören, Sprechen, ihre medialen Verstärkungen und Vermittlungen und letztlich ihr technisches Funktionieren gelangen in Eckers Werk auf besondere Weise zur Darstellung und werden hier auf einer Ebene reflektiert, welche mit „Technikeuphorie“ nichts zu tun hat, sondern im Gegenteil sich ihr gegenüber distanziert und kritisch verhält.

(...) Roboter, Androiden, Cyborgs, künstliche bessere Menschen . Vom Anthropomorphismus im Werk Eckers war bereits mehrfach die Rede. In der Tat begegnen uns bei näherer Beschäftigung mit seinen Arbeiten immer wieder menschengestaltige Figuren oder Objekte, die zumindest an menschliche Körperteile erinnern und ab und zu wirklich wie Prothesen anmuten. Weil aber das Technoide, Geometrische und Industrielle in diesen Formen überwiegt, ist man geneigt, an frühe Formen von Robotern zu denken. Deren Geschichte wiederum reicht nun sehr weit zurück (...) Eckers prototypische Formen nehmen indessen den in der Geschichte des Abendlandes seit der Antike verankerten Wunsch, einen besseren Menschen zu schaffen in sich auf und kommentieren eine damit verbundene Problematik. Im Sinne der „Prototypen“ denken wir eher an eine Art Golem an ein mit ruckartig – mechanischen Bewegungen agierendes Blechungetüm und assoziieren dabei leicht eine Möglichkeit des Scheiterns oder gar der Katastrophe. (Wovon auch viele Geschichten mit Robotern zeugen). In ihrer gedanklich-technischen Weiterentwicklung aber haben diese Figuren etwas Faszinierendes und zugleich sehr Beängstigendes. Betrachte man in diesem Zusammenhang die großen Eckerschen Reagenzgläser mit den angedeuteten Homunculi, die bisweilen wie Pflaumenmännchen anmuten, erweitert sich das Themenfeld von der noch immer blechernen Technik in den Bereich der Biotechnologien hinein. Die Vorstellungen, welche sich aus den Möglichkeiten einer Handhabung und eines direkten Eingreifens in die Bausteine und damit in die Abläufe des Lebens ergeben, klingen hier an als reflektierte und durch ihre eigene Geschichte zum Teil revidierte Denkbilder.

(...) Schöpferisches Subjekt? Künstlerische Arbeit schlichtweg mit geplanten oder spontanen Gestaltungs- und Formprozessen zu beschreiben, reicht, wie man im Falle Eckers sinnfällig erfahren kann bei weitem nicht aus. Es kommt neben den obsessiven Momenten des Forschens, Suchens Sammelns, Ausprobierens noch ein enormer reflektorischer Anteil hinzu, ohne den das Werk zu einer wohlfeilen Illustration von etwas Bekanntem geriete. So geht es hier auch nicht um die Schaffung von absoluten neuen Formen im Sinne einer schon längst revidierten Zielvorstellung der Moderne, sondern um die Bewusstmachung der Beziehungen bereits bestehender Formen und ihrer Bedeutung untereinander. Die von Ecker immer wieder gesuchte Vermittlung mit der eigenen Geschichte geht bisweilen mit Nachdenklichkeit, Melancholie, aber immer wieder auch mit subtilem Humor einher. Gerade, weil in vielen Arbeiten das Vorläufige, Prototypische, Reduzierte und manchmal exemplarisch zum Scheitern Verurteilte und Unerfüllte überwiegt, können sie im künstlerischen Sinne als Gelungene, Gültige und Erfüllte angesehen werden. Und wegen dieser auf den Betrachter sich im Idealfall übertragenden reflektorischen und spezifisch ästhetischen Potenz erfüllen die Werke das, was Kunst erst zu einem „Besonnenheitsraum“ (Aby Warburg) für den Betrachter macht.

Text excerpt (EN)

Excerpt:
(...) Symbolic function. In general it is conspicuous that Ecker repeatedly takes recourse in his works to a basic vocabulary of sculptural elements, as though he kept an arsenal of media, machines and other implements at his disposal. What these forms have in common is their reference to a function or role as „apparatus“, „device“ or technical medium in the broadest sense. At the same time it becomes apparent that what we have here are merely models, in reality functionless „dummies“ of familiar communication technologies or other „machines“, which can hardly hope to undergo application in the sense of genuine technical functionality. Ecker’s machines, devices and media only develop their true significance on a higher, symbolic level. They „function“ in the sense of symbols capable of entering into correspondencies with one another, with their surroundings and, naturally, with the conceptions and thoughts of the viewer. (...) The acts of seeing, hearing and speaking, their amplifications and transmissions by the media and, finally, their technical functionality find a very special kind of depiction in Ecker’s work: Here they are reflected on a level which has nothing to do with „technoeuphoria“ but, on the contrary, tends to distance itself from technology and regard it with a critical eye.


(...) Robots, androids, cyborgs, artificial, better human beings. The anthropomorphism in the work of Ecker has already been brought up several times. And indeed, upon closer examination of his works we encounter humanoid figures again and again, or at least objects reminiscent of human body parts, now and then suggestive of artificial limbs. Yet because of the fact that technoid, geometric and industrial aspects predominate in these forms, one is inclined to think of early forms of robots. Their history goes back quite far. (...) Meanwhile let us consider the disire to create a better human being, a desire rooted in the history of the Occident since classical antiquity. Ecker’s prototypical forms absorb it and comment on a problem related to it. In connection with the „prototypes“ we tend to think of a kind of golem – a tin monster that carries out its actions with mechanically jerky movements – and to associate with it the possibility of failure, or even of disaster. (As is testified to by many stories of robots.) Yet in their conceptual-technical further develeopment ... these figures possess something fascinating and at the same time terrifying. Returning, with these thoughts in mind, to Eckers’s test tubes and their allusions to homunculi sometimes reminiscent of little prune men, the thematic complex spreads from technology – still tin-clad – into the realm of biotechnology. The visions that arise from the possibility of manipulating and directly intervening in the building blocks, and thus in the processes of life are touched on here ... simply as conceptual models that have been reflected upon and to some extent revised by their own history.


(...) Creative subject? The case of Ecker makes it quite obvious that the description of artistic work solely in terms of planned or spontaneous formative processes is far from sufficient. Not only the obsessive moments of research, search, collection and experimentation are to be taken into consideration, but also the enormous share of reflection without which the work would turn out a readily marketable illustration of something already familiar. Nor is the concern here with the creation of absolutely new forms in the sense of an objective of modern art which already underwent revision long ago. The focus, rather, is on an awareness of the interrelationships between already existing forms and their meanings. Ecker’s recurring attempt to convey something by means of its own history is carried out with deliberation and melancholy, but often enough with subtle humour as well. Precisely because of the fact that many of the works are devoted primarily to the provisional, the prototypical, the reduced and sometimes ecemplarily failure-doomed and unfulfilled, they can be regarded in the artistic sense as successful, valid and fulfilled. And because of this reflective and specifically aesthetic potency – which ideally infects the viewer – the works fulfil that which is the primary criterion for art’s becoming a „Besonnenheitsraum“ (space of contemplative awareness: Aby Warburg) for the viewer.

Friedemann Malsch, Laudatio

Anlässlich der Verleihung des Edwin-Scharff-Preises der Stadt Hamburg an Bogomir Ecker, 7.1.2001
Textauszug (DE)

Auszug:
(...) Eckers Kunst verfolgt keine repräsentativen Absichten. Er will nicht etwa, wie z.B. die Pop Art, den Zustand der Gesellschaft lediglich abbilden, d.h. sie re-präsentieren. Auch will er nicht die Kunst als Freiraum nutzen, um utopische Modelle von der Welt zu skizzieren. Eckers Überzeugung ist vielmehr die Rolle der Kunst als Instrument der Deutung von Welt, von jener Welt, in der wir leben, aber auch von jener Welt, aus der wir kommen und in die wir zu gehen scheinen. Dabei ist der erhobene Zeigefinger seine Sache nicht. Vielmehr kenn-zeichnet ihn und sein Werk eine ernste Unbekümmertheit, d.h. das Wissen darum, dass sich „letzte Gründe“ nicht auf Anhieb erschließen lassen. Die lässige Skepsis dieser Haltung ist ein Stilmerkmal des Werkes von Bogomir Ecker. Darüber hinaus verweist sie auf die Tradition manieristischer Weltvorstellungen, die das Spannungsverhältnis von Kunst und Wirklichkeit zur Triebfeder künstlerischen Arbeitens erheben.

(...) An dieser Schnittstelle setzt das Werk Bogomir Eckers an. Es thematisiert auf sehr eigenständige Weise den Zusammenhang zwischen der Wahrnehmung von Welt und den dafür geltenden technischen Bedingungen. Typisch für Eckers Haltung ist seine Strategie, Sinne und Technik dabei aufeinander zu beziehen als Elemente, die keine symbiotische, wohl aber eine komplementäre Beziehung zueinander eingehen können. Die rasche Folge technologischer Innovationsschübe in den letzten 100 Jahren hat einerseits diese Entwicklung gefördert, andererseits aber Methoden hervorgebracht, mit denen heute eine neue Synergetik möglich scheint. Die Welt der Computer macht wenigstens ihre Simulation imaginierbar, etwa im Cyber-Space. In der allgemeinen Begeisterung für solche Neuerungen wird jedoch leicht übersehen, dass die erstaunlichen Leistungen der Elektronik für „virtuelle Welten“ kein Äquivalent in wirklichen Welten haben, im Gegenteil: Auf dem Siegeszug der Elektronik in wesentlichen Bereichen des Lebens sind ihre Trägersysteme und infrastrukturellen Machtapparate dabei, die Wahrnehmung von Wirklichkeit den Bedingungen der Elektronik unterzuordnen.

(...) Den Wirkungsmechanismen solcher Modelle stellt Bogomir Ecker ein Konzept gegenüber, das sich der organischen Dimension von Technik versichert. Er versteht Technik nicht als ein Sinn – loses Funktionieren mechanischer und/oder elektronischer Bausteine, sondern als Ebene des individuellen und gesellschaftlichen Austausches. In diesem Sinne kann Ecker mit Syrano de Bergerac in den Wettstreit mit der „Natur“ treten, da er diese als System von Funktionen begreift, in dem Technik und sinnliche Wahrnehmung nur Teilaspekte darstellen, die erst gemeinsam das Ganze ergeben.

(...) Technik ist nach Ecker also integraler Bestandteil des Lebens und eben diesem dienstbar, solange sie sich aus Existenzregeln der „Natur“ ableiten lässt und damit indirekt mit den Sinnen der menschlichen Wahrnehmung in Verbindung steht. In zahlreichen Arbeiten hat Bogomir Ecker diesen Zusammenhang zwischen Wahrnehmung und Technik thematisiert. Die Paradoxie, dass beide Bereiche zunächst grundsätzlich unvereinbar sind, jedoch stets aufeinander bezogen bleiben, ist ein kompositorisches Merkmal seines skulpturalen Werkes geworden.

Text excerpt (EN)

Excerpt:

Laudation on the occasion of the Award of the Edwin Scharff Prize of the City of Hamburg to Bogomir Ecker,
7 January 2001

(...) Ecker’s art does not have any representative intentions. Unlike, for instance, Pop Art, he does not merely want it to reproduce the state of society, i.e. to re-present it. He also refuses to use art to freely sketch utopian models of the world. Ecker’s conviction is much more about the role of art as an instrument with which to interpret not only the world in which we live, but also the world we come from and where we appear to be heading. A raised index finger is not his style at all. Instead, he and his work are being serious in their lack of concern, which shows an awareness that “final causes” cannot be tapped immediately. The casual scepticism of this stance is a stylistic feature of Bogomir Ecker’s work. Furthermore, it points to the Mannerist tradition of making the tense relationship between art and reality into the prime mover of artistic work.

(...) Bogomir Ecker’s work acts on this interface. He broaches the relationship between the perception of the world and the technical conditions necessary for it in single-minded fashion. Typical of Ecker’s attitude is his strategy of bringing together the senses and technologies as elements which cannot have a symbiotic relationship but which certainly can have a complementary one. The rapid succession of technical innovations in the last hundred years has, on the one hand, promoted this development whilst, on the other, it has spawned methods which today seem to hold out the possibility of a new form of synergetics. The world of the computer makes its own simulation conceivable – for example in cyberspace. However, in the general enthusiasm for such innovations, it is easy to overlook the fact that the amazing achievements of electronics in terms of “virtual worlds” have no equivalent in the real one. On the contrary: the triumph of electronics in important areas of life also brings a baggage of underlying support systems and infrastructural power mechanisms that subordinate the perception of reality to the conditions of the electronic media.

(...) Bogomir Ecker confronts the working mechanism of such models with a concept that assures technology’s organic dimension. He does not see technology as a mindless functioning of mechanical or electronic components, but rather as a level of individual and social discourse. In this sense, Ecker can join Cyrano de Bergerac in his set-to with “Nature,” because he understands it as a system of functions in which technology and sensory perception are in themselves mere parts of a whole picture which will only emerge when they join forces.

(...) To conclude: Ecker sees technology as an integral part of life – even subservient to it, so long as it is derived from “Nature’s” laws of existence and therefore in indirect communion with the senses of human perception. Bogomir Ecker has addressed this linkage between perception and technology in many of his works. The paradox that both areas are basically incompatible but still permanently related has become a compositional characteristic of his sculpture.

(Translation: Christopher Cordy, 2007)


Catherine Grout, Spielerische Werke für eine öffentliche Bühne, (Szene)

Bogomir Ecker – Blick in den Maschinenraum. Museum Ostdeutsche Galerie Regensburg, 1999
Textauszug (DE)

Auszug:
(...) Oft passiert es Bogomir Ecker auf seinen Ausstellungsreisen, dass er außer den notwendigen Dingen etwas mitnimmt, was er ganz spontan in der Stadt aufstellen könnte, auch ohne dass er dazu aufgefordert oder damit beauftragt worden wäre. Dieser Gegenstand muß in den Koffer oder sogar in die Tasche passen. Man muss sich dann vorstellen, dass der Künstler in einem bestimmten Moment mitten auf der Straße stehen bleibt und unvermutet diesen Gegenstand irgendwo anbringt. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, darf er nicht hastig agieren (sonst wäre das suspekt), aber das Ganze muss zügig geschehen. Denn eine Aktion in der Öffentlichkeit, die nicht den Sitten und Gebräuchen entspricht, ist per Definitionem ungesetzlich und verlangt daher nach einem Minimum von „Durchführbarkeit“.
Schauplatz der Aktion ist der städtische Raum, in dem der Künstler kein einfacher Spaziergänger ist, auch kein Flaneur, denn er gibt sich nicht mit dem Betrachten zufrieden, vielmehr wird er zum Akteur, und zwar im Sinne des Eingreifens, nicht in dem des Schauspielens, da er ja dem Publikum keine Vorstellung gibt. Ich stelle mir (vielleicht zu Unrecht) Bogomir Ecker vor, wie er auf der Suche nach einer günstigen (mehr oder weniger, wie oben beschrieben, inaktiven) Stelle ist, aber auch auf der Suche nach einer Atmosphäre, einer bestimmten Beschaffenheit des Geländes, dem Zusammenspiel von konkreten und immateriellen Voraussetzungen, die ihm für seine Aktion günstig erscheinen. Ich nehme nicht an, dass er nach einem Plan vorgeht: das, was er mit sich führt, kann potentiell überall angebracht werden und entspricht nicht einem Generalschema, einer vorher festgelegten Idee. Indem er aus der Inspiration eine Interpretation entwickelt, wird diese, so will mir scheinen, nach draußen verlagert, so als ob das Atelier die Dimensionen der Stadt oder des Viertels angenommen hätte. Ich schreibe bewusst „als ob“, denn der städtische Raum kann niemals ein Atelier sein, da er nicht zum privaten Bereich des Künstlers werden kann, zu dem Ort, an dem sich der Prozess des künstlerischen Schaffens ungestört vollzieht. Der grundlegende Unterschied besteht darin, dass die Inspiration nicht auf die Herausarbeitung einer Formgebung beschränkt ist, sondern die Interpretation einer Situation mit ihren verschiedenen Komponenten umfasst, mit dem Ziel, ihr etwas Neues hinzufügen. Etwas Neues und vor allem etwas Humorvolles. Im Gegensatz zur griechischen Idee des kairos (Sinn für kluges Eingreifen im richtigen Moment) erwächst die Intervention des Künstlers gerade aus der Situation heraus und ist keine Antwort auf sie, wie es vorwiegend bei Medizinern und Soldaten der Fall ist. Es gibt keine Antwort, die Kunst gibt keine Antworten auf etwas, sie stellt Fragen. Und das ist es zweifellos, was hinter Bogomir Eckers Aktionen steht.
Seine Aktionen gelten dem Platz und der Situation, das heißt einem Standort als öffentlichem Schauplatz, wo alle mehr oder weniger ständig vorhandenen Elemente (Gebäude, städtische Bestimmung usw.) sich mit dem allgemeinen (geschichtlichen, sozialen usw.) Kontext und den Dingen des normalen täglichen Lebens (Kommen und Gehen von Leuten, geschäftliche Aktivitäten usw.) verbinden. Das Werk wendet sich nicht so sehr an die Menschen, sondern es ist da für die Situation, das heißt für die Welt.

Paris, September/Oktober 1998

Text excerpt (EN)

Excerpt:
(...) When Bogomir Ecker goes on an exhibition tour, he often takes along an object which isn’t strictly necessary, something which he can set up in a city spontaneously, without anyone either asking or commissioning him to do so. This item has to fit in a bag or even a pocket. You can imagine the artist stopping in the middle of the road and unexpectedly placing the object somewhere. To avoid attention, he cannot rush (that would be suspicious), but the whole procedure still has to happen fast. A public action that does not conform to custom and convention is by definition unlawful, so it must be feasible to work out.
The action takes place in the city, where the artist is neither a simple pedestrian nor a stroller: he is not satisfied with just gazing around, but instead becomes an acting force – intervening rather than performing, because he is not putting on a show for the public. I – perhaps wrongly – imagine Bogomir Ecker not only looking for a convenient (and, as I have said, more or less inactive) location, but also for an atmosphere, a particular quality of place, the interplay of concrete and immaterial conditions that he feels are right for his mission. I do not think he follows any plan: in principle, the thing he is carrying around can be employed anywhere and has nothing to do with general formulae or preconceived ideas. Insofar as he develops an interpretation from an inspiration, this, it seems to me, is channelled outwards, as if the artist’s studio had taken on the dimensions of the city or district. I write “as if” consciously, because the urban space can never become a studio – it cannot belong to the artist’s private space, the place where the artistic process can continue undisturbed. The fundamental difference is that an inspiration is not limited to the precise explication of a form, but rather embraces the interpretation of a situation and all its varying components with the aim of bringing something new to it – something new and, above all, humorous. Unlike the Greek idea of kairos (the ability to intervene intelligently at the right time), the artist’s intervention is not the same as that of doctors and soldiers, but rather grows out of the situation itself. There is no response: art does not give answers, it just asks questions. That is, without doubt, what is behind Bogomir Ecker’s actions: they are directed at places and situations, i.e. places as public arenas, where the more or less permanent elements (buildings, urban functions etc.) combine with the more general historical or social context, as well as with everyday aspects like people coming and going, buying and selling things and so on. The work is aimed less at people than at situations – and is thereby aimed at the world.

Paris, September/October 1998

(Translation: Christopher Cordy, 2007)


Herbert Molderings, Zwischenräume

Bogomir Ecker – Prototypen, Edition Marzona, Düsseldorf 1990
Textauszug (DE)

Auszug:
Durchlässigkeit ist das Merkmal fast aller Prototypen . Plastischer Ausdruck potentieller Bewegung. Öffnungen in der Erstarrung der Dinge, Schlupflöcher der Imagination.

Unter den Medienbild-Hauern von heute ist Ecker der Archaiker.

Nicht finden, sondern erfinden, lautet die Devise. Das Fundstück ist nur ein Mittel, nicht das Ziel (Missverständnis aller Fast-Artists).

Das große Thema der Plastiken Eckers ist die Stille. Nicht das dunkle und lähmende Schweigen der Mystiker unter den Künstlern, sondern die Stille in ihrer hellen und heiteren Tonart. Skulpturen in Dur.

Elektrodusche – Jüngste Phase der Technisierung des Empfindungsvermögens. (Auch Heilverfahren für Geistes- und Gemütskranke).

Das große Spiel der Verstellungen. Maskenball der Strippen, Klingelbusen, Kaminritter, Filterbäume, Fernteeantennen, Ohrenhocker, Tassensprinkler, Löffelspiegel, Rippentürme, Bohnentrommeln, Federtöpfe und Zauberdübel.

Die Vermischung der Sinne. Mit dem geistigen Ohr sehen lernen (am Bauch der Aphrodite).

Diesen Prototypen möchte man wünschen, dass sie die Serienfertigung scheuen (frz. „banalisation“).

Die unsichtbare, weder 3- noch 4-dimensionale Ausdehnung, die dem Erscheinungsbild von tönenden Geräten eigen ist. Die Erforschung ihrer Plastizität liegt ganz in den geschmeidigen Händen des B.E.

Suchte man nach einer dem plastischen Empfinden Eckers verwandten wissenschaftlichen Disziplin, so stieße man weniger auf die Mechanik denn auf die Topologie (Innen-Außen-Transformationen, Geschlechtsumwandlungen von geometrischen Flächen und Körpern).

Die Prototypen sind plastische Entwürfe, im Fachjargon einst Bozzetti genannt. Wie diese enthalten sie manches von der ursprünglichen objektiven Inspiration, das später in Anpassung an ein anderes Material und an größere Dimensionen verloren geht.

Einige Situationen und Zusammenstellungen wirken eher wie Stilleben denn wie Skulpturen.
Das geheime Atmen der Dinge unterhalb des hörbaren Frequenzbereiches. Nur wahrnehmbar für denjenigen, dem die Augen zu klingen vermögen (und der Gleichgewichtssinn im Ohr?).

Die Diktatur der technischen Vernunft ließ sich nur auf der Grundlage von festen, nicht aber auf der Basis von fließenden Größen, errichten. Die Prototypen sind solche fließenden Größen. (Domänen der Intuition)

Aus der Geschichte der Mathematik ist bekannt, dass zahlreiche Entdeckungen auf methodischem Gebiet sich dem Spaß ihrer Urheber am Spiel mit abstrakt-logischen Möglichkeiten verdanken. An Anwendungsmöglichkeiten hatten Sie überhaupt nicht gedacht. Erst im nach hinein und oft sehr viel später wurde deutlich, welche technischen Möglichkeiten sich mit den neuen Erkenntnissen vorantreiben ließen.
Text excerpt (EN)

Excerpt:
Permeability is a feature of nearly all the Prototypes. Plastic expression of potential movement. Openings in the rigidity of things, bolt-holes in the imagination.

Amongst today’s media-savvy artists, Ecker seems positively archaic.

“Don’t find, invent,” runs the motto. Found things are merely the means, not the end (a misunderstanding common to all almost-artists.)

The biggest concern of Ecker’s sculpture is silence. Not the dark and paralysing hush of the mystics among the artists, but a bright and cheerful silence. Sculpture in a major key.

The electric shower – the latest phase in the mechanisation of sensibility. (Also therapy for the mentally and emotionally disturbed.)

The great game of disguises. A masked ball of stripping, bell-bosoms, hearth-knights, filter-trees, TeaV-antennae, ear-stools, cup-sprinklers, mirror-spoons, rib-towers, bean-drums, spring-pots and magic rawlplugs.

Blending the senses. Learning to see with the inner ear (at the belly of Aphrodite).

One wants to wish that the Prototypes will avoid volume production (Fr. banalisation).

The invisible, neither three- nor four-dimensional expansion that is unique to the appearance of sound devices. The exploration of their plasticity is completely in B.E.’s supple hands.

If you were to look for an academic discipline related to Ecker’s three-dimensional sensibility, you’d find it less likely in mechanics than in topology (inner-outer transformations, transgender changes of geometric surfaces and bodies).

The Prototypes are the sort of sculptural blueprints which used to be called bozzetti in the lingo. Like these, they contain some of the original objective inspiration which will later be lost in the process of adapting it to another material or making it bigger.

The effect of some situations and combinations is more like a still life than a sculpture. The secret breathing of things below the audible frequency range. Only discernible to those who can make their eyes ring (and the sense of balance in the ear?).

The dictatorship of technical reason can only be established on the basis of solid – and not fluid – entities. The Prototypes are that sort of fluid entity. (The domains of intuition.)

The history of mathematics show us that many discoveries in this methodical field are actually thanks to the fun their originators got from abstract-logical possibilities. They never even considered the practical applications. Only with hindsight – and often only much, much later – did the technical potential of these new insights become apparent.

(Translation: Christopher Cordy, 2007)

Thomas Wagner

Eckers Komplikationen Von Menschen, Städten, Dingen, Zeichen und Medien
Textauszug (DE)

I. Objekt verführt Subjekt

„Die Dinge für grenzenlos unterdrückbar, rechtlos, willenlos, fühllos und unbedürftig der Selbst-Bestimmung zu halten, das kann bloß, wer meint, dass sie weder Leben noch Macht hätten. Sie haben sie. Wovon sonst hätten die Gedichte, die Bilder, Verse, die Geschichten, die Träume von jeher gesprochen als eben von ihrer Gewalt? Es ist der Herren-Wahn unserer Neuzeit, zu meinen, man könne die Dinge ohne Maß, ohne Grenze ausspähen, ausforschen, ausbeuten, und es werde schon keine Rechnung deswegen ins Haus kommen. Sie täuscht sich, die Neuzeit. Neuzeit heißt: Sich darüber in Täuschung zu halten; ein finsterer, schwer lastender, dumpfer und, wie sie selbst sagen würde: mittelalterlicher Irrtum.”                                                           
 Erhart Kästner

Zu dem vorzudringen, was wir für gewöhnlich das Reale nennen, ist nie einfach. Zu verworren erscheinen uns die Verhältnisse, ganz gleich, ob wir es mit Menschen, Medien oder Dingen zu tun haben. Halten wir uns etwa an ein Ding, so müssen wir feststellen: Weder das Ding selbst, noch das, was wir mit ihm und es mit uns verbindet, weder der gesellschaftliche Raum, in dem es uns als funktionales Objekt, als Ware oder persönlicher Gegenstand gegenübertritt, noch der Spiegel, den es uns vorhält, damit wir uns in dem Bild, das er von uns zeichnet, verfehlen, bringen uns unmittelbar in Kontakt mit der Realität. Sie scheint sich hartnäckig zu entziehen, sie tarnt und verpuppt sich in den verschiedenen Gestalten, in denen wir glauben, sie greifen und begreifen zu können...


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Text excerpt (EN)

1. Object seduces Subject

“Considering things as endlessly repressible, without rights, resolve, feelings and any need for self-determination, that is something only someone can do, who believes they had neither life nor powers. They have these things. What else would poems, pictures, verses, stories, dreams have spoken of since time immemorial, if not of the force of things? It is the megalomania of our modern day for people to think we could pry into, investigate and exploit things wantonly and boundlessly without any reckoning coming home to us in consequence. Our modern age is deceiving itself. That modern age amounts to: maintaining the self-deception; a murky, burdensome, thickheaded and, as it would say itself, mediaeval mistake.”
 Erhart Kästner

Finding our way through to what we usually call the real is never easy. Matters appear too confused, to us, regardless of whether we are dealing with people, media or things. If we do, in fact, confine ourselves to one thing, then we have to realize: neither the thing itself, nor what connects us with it, or it with us, neither the social space in which it encounters us as functional object, as product or personal object, neither the mirror it holds up to us, so that we mistake ourselves in the image it depicts of us, bring us directly into contact with reality. It stubbornly seems to evade us, it camouflages and disguises itself in the various figures by which we believe we can apprehend and comprehend it....


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